Deutsche Leitlinie zum SLE-Management

Im April 2025 wurde die erste deutsche Leitlinie für den systemischen Lupus erythematodes (SLE) herausgebracht. Sie gilt für erwachsene Patient*innen. Viele Empfehlungen der EULAR wurden eins zu eins übernommen oder leicht abgeändert. Die Leitlinie enthält auch einige neue Empfehlungen, außer Lupusnephritis werden die Themen Kinderwunsch und Schwangerschaft sowie das Antiphospholipid-Syndrom (APS) behandelt.

Es hat mehrere Jahre gedauert, diese Leitlinie zu erstellen. Federführend war dabei die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh); zehn weitere medizinische Fachgesellschaften haben mitgearbeitet. Ganz wichtig ist bei jeder Leitlinie die Einbindung von Patientenvertreter*innen. In diesem Fall waren die Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft e. V. und die Rheumaliga beteiligt.

Die deutsche S3-Leitlinie zum SLE-Management enthält insgesamt 53 Empfehlungen, ist 70 Seiten lang und natürlich „ganz schön medizinisch“, denn sie richtet sich an Ärzt*innen. Wenn dich das nicht abschreckt und du tiefer eintauchen möchtest, kannst du das hier tun: https://register.awmf.org/assets/guidelines/060-008l_S3_Management-des-systemische-Lupus-erythematodes_2025-07.pdf. Wir geben dir hier einen Überblick zu den wichtigsten Empfehlungen.

Übergeordnete Prinzipien

Es wurden fünf übergeordnete Prinzipien definiert, die für jede*n mit Lupus wichtig sind. Diese Prinzipien sollten immer berücksichtigt werden, denn sie sollen sicherstellen, dass der Lupus früh erkannt und sofort behandelt wird, dass die Ziele vor Augen und die Risiken immer im Blick behalten werden – und zwar von dir und deinen Ärzt*innen als Team. 

Klicke dich hier durch die übergeordneten Prinzipien der deutschen S3-Leitlinien:

Konkrete Empfehlungen zur Umsetzung der deutschen S3 Leitlinie

Die S3-Leitlinie gibt Ärzt*innen eine Orientierung und dir hilfreiche Hinweise, was im Umgang mit deinem Lupus wichtig ist. Hier findest du Empfehlungen zu Themen wie Risikomanagement, Lupusnephritis, Antiphospholipid-Syndrom sowie Schwangerschaft und Verhütung. Die Inhalte sollen dir helfen, die Leitlinien besser zu verstehen und gemeinsam mit deiner Ärzt*in die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Icon Info Lupe

 

SLE ohne Nierenbeteiligung

Icon Lupe mit dem Wort Risiko


Risikomanagement

  • Regelmäßige Überprüfung von Risikofaktoren in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (übernommen von EULAR)

    Dazu gehören zwei Arten von Risikofaktoren:

    • traditionelle: z. B. Diabetes, hohe Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel  
    • krankheitsbezogene: z. B. eine weiter bestehende Krankheitsaktivität, längere Krankheitsdauer, aPL-Status (Antiphospholipid-Status), Nierenbeteiligung und Kortisontherapie
  • Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen managen (angepasst an EULAR)

    Allgemeine vorbeugende Maßnahmen wahrnehmen und Risikofaktoren leitliniengerecht behandeln (Lebensstil anpassen; falls nötig, niedrig dosiertes Aspirin, Blutdruckeinstellung, Kontrolle des Fettstoffwechsels).

  • Impfschutz wie seitens der STIKO empfohlen (angepasst an EULAR)

    Die STIKO (ständige Impfkommission) gibt Impfempfehlungen für Deutschland. Sie gelten auch für Menschen mit SLE, die meist ein erhöhtes Infektionsrisiko haben. Impfungen sind eine wichtige Maßnahme zum Infektionsschutz bei Lupus. Dabei ist die individuelle Immunsuppression zu berücksichtigen, die die Impfantwort mindern kann. Explizit erwähnt werden Impfungen gegen Herpes zoster und SARS-CoV-2 (Corona) sowie die Impfung gegen RSV (letztere bei Immunsuppression). Es gibt noch weitere Empfehlungen für Menschen mit rheumatischen Autoimmunerkrankungen.

Weitere Empfehlungen beziehen sich z. B. auf spezielle Symptome und Organbeteiligungen (u. a. ZNS, Blut) und das Risikomanagement, z. B. in Bezug auf Osteoporose.

Icon Nieren


Lupusnephritis

Die Lupusnephritis (lupusbedingte Nierenentzündung) ist eine häufige und schwerwiegende Organbeteiligung des SLE. Man kann sie gut diagnostizieren, und es gibt vergleichsweise klare Empfehlungen für das Management. Für eine optimale Prognose sind eine frühe Diagnose und eine sofortige gezielte Therapie zentral, um die Funktion der Nieren als lebenswichtige Organe so lange wie möglich zu erhalten. Zum Schutz der Nieren werden deshalb neben der lupusspezifischen Therapie weitere Medikamente eingesetzt. Weitere Informationen findest du in dem ausführlichen Abschnitt zu Lupusnephritis: Lupus & Nieren

  • Alle drei Monate auf eine Proteinurie testen

    Betroffene Patient*innen spüren eine Lupusnephritis lange nicht, sie zeigt sich aber schon früh in den Laborwerten, vor allem in der Ausscheidung von Eiweiß über den Urin („Proteinurie“). Deshalb sollte bei allen SLE-Patient*innen ohne Lupusnephritis alle 3 Monate die Eiweißausscheidung kontrolliert werden, um früh erkennen zu können, ob die Nieren betroffen sind.

  • Biopsie bei Verdacht auf Lupusnephritis

    Bei allen SLE-Patient*innen mit neuen Hinweisen auf eine Nierenbeteiligung (z. B. Blut oder bestimmte Zellen im Urin, Proteinurie > 0,5 g/24 Stunden) besteht prinzipiell die Indikation für eine Nierenbiopsie – das ist die Entnahme von Gewebeproben aus den Nieren, um sie unter dem Mikroskop genau zu untersuchen. Sie sollte durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern, festzustellen, wie ausgeprägt die Entzündungen sind, und daraus die Therapieentscheidungen abzuleiten.

  • Therapieziel ist ein „komplettes Ansprechen der Nieren“

    Wenn zum ersten Mal eine Lupusnephritis auftritt, ist ein komplettes renales Ansprechen anzustreben. Das bedeutet, dass die Nieren sich nahezu vollständig erholen (z. B. Proteinurie < 0,5–0,7 g/Tag bei erhaltener Nierenfunktion).

  • Antimalariamittel für jeden Menschen mit Lupusnephritis

    Wie beim SLE wird auch bei einer Lupusnephritis das Antimalariamittel Hydroxychloroquin als Basismedikament eingesetzt, sofern keine Gegenanzeigen vorliegen. Es senkt nachweislich das Risiko für Nierenentzündungen, Nierenversagen und für das Risiko, zu versterben.

  • Initialtherapie mit Cyclophosphamid oder Mycophenolat, jeweils plus Kortison

    Die Wahl des Medikaments hängt im Einzelfall vom Befund der Biopsie/von der Klasse der Lupusnephritis, der Nierenfunktion und der Proteinurie sowie von weiteren Lupus-Manifestationen, Begleiterkrankungen und der Präferenz der Patient*in ab.

  • Kortison 1–3 Tage hochdosiert, dann reduziert in Tablettenform

    Um insgesamt Kortison einzusparen, sollen initial für 1–3 Tage hochdosierte intravenöse (direkt in die Venen gegebene) Pulsgaben erfolgen. Danach sollte eine reduzierte Dosis in Tablettenform verabreicht werden.

  • Kortisondosis schrittweise reduzieren

    Ziel ist eine Dosis von unter 10 mg/Tag nach 3 Monaten und eine Dosis von unter 5 mg/Tag nach 6 Monaten.

  • Initial zusätzliches Medikament erwägen

    Die Lupusnephritis ist eine schwere SLE-Manifestation, und es besteht das Risiko für die Entwicklung einer chronischen Nierenkrankheit mit allmählichem Verlust der Nierenfunktion. Deshalb sollte bei jeder Patient*in mit Lupusnephritis am Anfang in Betracht gezogen werden, ein drittes Medikament für eine noch intensivere Therapie einzusetzen. Dafür stehen diese Optionen zur Verfügung – jeweils plus Kortison: Cyclophosphamid + Belimumab, Mycophenolat + Belimumab, Mycophenolat + Calcineurin-Inhibitor.

  • Bei renalem Ansprechen Weiterführung der Therapie für mindestens 3 Jahre

    War die Therapie erfolgreich, sollte für mindestens 3 Jahre mit der gleichen Medikation weiterbehandelt werden, um das Therapieergebnis langfristig zu stabilisieren, wobei die Dosis zum Teil verändert werden kann. Wurde Cyclophosphamid gegeben, sollte es durch Mycophenolat oder Azathioprin ersetzt werden.

Icon weibliche Ärztin


Weitere Empfehlungen beziehen sich z. B. auf Maßnahmen bei unzureichendem Therapieansprechen, die nötigen Kontrolluntersuchungen oder eine nochmalige Nierenbiopsie.

Antiphospholipid-Syndrom

  • Antiphospholipid-Syndrom (APS)

    Viele Menschen mit Lupus haben auch ein sogenanntes Antiphospholipid-Syndrom (APS). Das ist eine weitere Autoimmunerkrankung, die mit dem Risiko für Blutgerinnsel – also z. B. Thrombosen – oder Fehlgeburten einhergeht. Das kann in Abhängigkeit vom Risikoprofil und von der individuellen Vorgeschichte die vorübergehende oder dauerhafte Einnahme von Medikamenten erforderlich machen, die die Blutgerinnung hemmen.

    Die Empfehlungen zum APS sind sehr speziell und medizinisch, weshalb wir sie hier nicht aufgreifen. Besprich das bitte mit deiner Ärzt*in.

Icon schwangere Frau

 

Schwangerschaft und Verhütung bei Lupus

  • Schwangerschaft und Verhütung

    Bei den meisten Frauen mit SLE ist heute eine erfolgreiche Schwangerschaft möglich.

  • Schwangerschaft, wenn der Lupus inaktiv ist und die Betreuung durch ein spezialisiertes Zentrum erfolgt

    Das größte Risiko für Schwangerschaftskomplikationen ist ein aktiver Lupus bei Eintritt der Schwangerschaft oder in den 6–12 Monaten davor. Deshalb sollte eine Schwangerschaft interdisziplinär – also z. B. mit der Gynäkolog*in und der Rheumatolog*in – geplant und von einem schwangerschaftserfahrenen Zentrum betreut werden. Ziel ist es, den Lupus vor der Schwangerschaft in Remission zu bringen, um die Risiken zu minimieren. Durch eine Beratung vor der Empfängnis und eine interdisziplinäre Betreuung in der Schwangerschaft kann das Risiko von Schwangerschaftskomplikationen nachweislich deutlich reduziert werden, vor allem durch eine Reduktion von Lupus-Schüben.

  • Gabe von Hydroxychloroquin in der Schwangerschaft empfohlen

    Hydroxychloroquin (HCQ) ist das Basismedikament für alle schwangeren Frauen mit SLE. Es sollte mit einer Dosis von 5 mg/kg Körpergewicht/Tag (maximal 400 mg/Tag) eingenommen werden. Die Einnahme wird entweder fortgeführt oder vor der Schwangerschaft begonnen, um von den nachgewiesenen positiven Effekten zu profitieren. Dazu gehören die Kontrolle der Krankheitsaktivität, die Verhinderung von Schüben sowie günstige Effekte in Bezug auf einige APS-Komplikationen.

  • Vermeidung von Mycophenolat, Cyclophosphamid und Methotrexat

    Cyclophosphamid kann den Fötus schwer schädigen. Die Anwendung geht mit einem hohen Risiko für Fehlgeburten einher. Im ersten Trimester sollte es deshalb nicht gegeben werden, im zweiten und dritten Trimester nur im Ausnahmefall bei schweren, lebensbedrohlichen Organbeteiligungen oder wenn die Patientin auf andere Medikamente nicht anspricht. Mycophenolat und Methotrexat dürfen in einer Schwangerschaft nicht gegeben werden und müssen deshalb rechtzeitig vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt bzw. durch eine Medikation ersetzt werden, die in der Schwangerschaft erlaubt ist.

    Es gibt auch jenseits der Lupus-Medikamente viele Präparate, die in der Schwangerschaft nicht gegeben werden dürfen. Auch das ist vorher zu prüfen und erfordert ggf. eine Umstellung der Therapie.

  • Niedrig dosiertes „Aspirin“ für alle schwangeren Lupus-Patientinnen

    Schwangere mit Lupus haben ein erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie – eine sogenannte Schwangerschaftsvergiftung, die mit hohem Blutdruck und einer erhöhten Eiweißausscheidung im Urin einhergeht. In schweren Fällen drohen Komplikationen wie Krampfanfälle, Hirnblutungen oder Nierenversagen. Man weiß aus Studien, dass die niedrig dosierte Gabe von Acetylsalicylsäure („Aspirin“) das Präeklampsie-Risiko senken kann. Deshalb sollten alle Schwangeren mit SLE spätestens ab der 16. Schwangerschaftswoche täglich 100–150 mg davon bekommen.

Weitere Empfehlungen rund um Familienplanung, Schwangerschaft und Hormone beziehen sich z. B. auf Beratung, die Planung einer Schwangerschaft und die Pränataldiagnostik, auf weitere Aspekte der individuellen medikamentösen Therapie, auf Maßnahmen für Frauen, bei denen ein Antiphospholipid-Syndrom (APS) als Risikofaktor hinzukommt, sowie auf Verhütung und Hormonersatztherapie.


Beim Lupustag 2025 haben Dr. Johanna Mucke und die Patientenvertreterin Sabine Schanze, die beide federführend an der Leitlinie beteiligt waren, einen tollen Überblick zur Entstehung und zu den wesentlichen Inhalten der Leitlinie gegeben. Die Aufzeichnung dieses Vortrags findest du hier: https://www.lupuscheck.de/service/lupustag.html

NP-DE-LPU-WCNT-240022, 11/2025

Die LupusCheck-Expert*innen

Das LupusCheck Expertenteam

Dr. med. Johanna Mucke
Oberärztin,
Rheumazentrum Ruhrgebiet, Herne

Das LupusCheck Expertenteam

PD Dr. med. Johannes Knitza
Oberarzt,
Universitätsklinikum Gießen & Marburg

Das LupusCheck Expertenteam

Dr. Carolin Tillmann
Institut für Erziehungswissenschaft
Arbeitsbereich Sozial- und
Rehabilitationspädagogik,
Philipps-Universität Marburg

Das LupusCheck Expertenteam

PD Dr. med. Martin Krusche
Oberarzt,
Universitätsklinikum 
Hamburg-Eppendorf
 

Das LupusCheck Expertenteam

Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke
Leiterin des Schwerpunkts Nephrologie
und Nierentransplantation,
Johannes Gutenberg-Universität Mainz